Die Symphonien Nr.12, 50 und 60 - drei gänzlich unterschiedliche Werke aus einem Meer von über 100 Symphonien - haben eine interessante Gemeinsamkeit: sie waren ursprünglich nicht als Symphonien konzipiert.
Haydn, recht ökonomisch denkend, produzierte „neue“ Symphonien, indem er Musik, die ursprünglich für die Oper oder das Theater geschrieben wurde, im Nachhinein zu Symphonien umformte. Es gibt eine größere Zahl davon, nur bei wenigen aber lässt ein Beiname den Rückschluss auf das Ursprüngliche zu: Nr. 60 wurde von Anfang an „Sinfonia per la comedia intitolata il Distratto“ bezeichnet.
Die
12. Symphonie dürfte haydns erste „Opernsymphonie“
sein, sie blieb bisher unbeachtet, weil auch das dazugehörige Operfragment einen Dornröschen schlaf hielt:
Acide, 1763 anlässlich der Vermählung des ältesten Sohnes von Fürst Nikolaus I. Esterházy komponiert und in Eisenstadt aufgeführ, wurde erstmals 2008 durch die Haydn Sinfonietta Wien aufgenommen [
BIS-SACD-1812].
Mit
Philemon und Baucis, Haydns vermutlich erster Marionettenoper [
BIS-SACD-1813] wurde am 1. September 1773 das Marionettentheater in Anwesenheit von Kaiserin Maria Theresia feierlich eröffnet. wurde am 1. September 1773 das Marionettentheater in Anwesen- heit von Kaiserin Maria Theresia feierlich eröffnet. Das Libretto basiert auf einer der Metamorphosen Ovids und wurde speziell für den kaiserlichen Besuch adaptiert, denn der Schluss der Oper gipfelte in einer Apotheose des Hauses Habsburg. Hinzugefügt wurde auch das Vorspiel Der Götterrat, in dem die Götter auf dem Olymp über die schlimmen Zustände auf der Erde ganz gehörig in Streit geraten (ähnlich wie in Offenbachs Orpheus in der Unterwelt).
Die Musik zu diesem Vorspiel ist verschollen – bis auf die zweisätzige Ouvertüre, die Haydn für die Nachwelt rettete, indem er sie um ein Menuett und ein Finale erweiterte und daraus die
Symphonie Nr. 50 machte. Der vierte Satz könnte freilich schon in der Oper als Finalmusik gedient haben, als sich die Rückwand der Bühne in den beleuchteten Schlosspark öffnete und ein Feuerwerk als Untermalung zur Verherrlichung der Kaiserin, der ungarischen Nation und des kaiserlichen Wappens zu sehen war.
Ein Musikalischer Spaß – dieses Werk Mozarts (K 522) ist das einzige, mit dem man Haydns
Symphonie Nr. 60 vergleichen kann: im Spaß komponiert Mozart perfekt „falsch“ und parodiert damit Komponisten, die uninspiriert und handwerklich schlecht sind. Haydn schreibt mit
Il Distratto genial „regelwidrig“ die Karikatur einer zu schematisch gestalteten Symphonie, aber bleibt stets souverän, selbst wenn er tut und lässt, was ihm gefällt, und sei es noch so bizarr: der 6. Satz wird nach wenigen Takten sogar unterbrochen, die Geigen werden neuerlich gestimmt (zerstreute Musiker?) und man beginnt nochmals. „Gesetzestreue“ allein macht noch kein Meisterwerk (siehe Beckmesser), in Haydns Worten: „Die Kunst ist frey, und soll durch keine Handwerksfesseln beschränkt werden.“
Manfred Huss
aus dem CD-Booklet zitiert